Sarah und das Geheimnis des Hexenzirkels - Kap. 1

Kräuterkraft


Ich bin Sarah, ein junger Teenager. Ich lebe in einer normalen Stadt mit normalen Menschen die alle ein normales Leben führen. Alles ist eben normal, ausser ich. Ich bin weder normal noch gewöhnlich. Denn ich bin eine Hexe. Genau genommen eine Hexe in Ausbildung. Und wie ich das wurde, das erzähle ich jetzt:

Es war Sommer und brennend heiss. Jeder der länger als zwanzig Minuten in der Sonne stand musste einen schmerzhaften Sonnenstich riskieren. Die Badeanlagen waren voll, die Wasservorräte leer. Auf dem Marktplatz stand ein weisser Wagen mit einer grossen Überschrift: Eis.

Um den Wagen häufte sich eine riesige Menschenmasse an. Und mittendrin war ich. Jedoch war mein Ziel nicht zum Wagen zu gelangen, sondern eher weg davon. Ich war nämlich eine der glücklichen Ersten, die ihr Eis bekommen konnte und nun musste mein Eis nur noch ohne Schaden aus der Sache raus kommen. Ich versuchte mich langsam nach aussen zu tasten, da ich den Boden vor lauter Füssen nicht mehr sah.

Und plötzlich tappten meine Füsse ins nichts. Ich fiel. Mein Aufprall schmerzte sehr. Ich versuchte mich zu orientieren und sah nach oben. Ich sah ein kleines rundes Loch und begriff dass ich in einen Gulli gefallen sein muss. Kaum realisierte ich dies, schaute ich entsetzt in meine Hand, worin sich vorhin noch mein Eis befand. Natürlich war es weg, aber ich ersparte es mir, es ausfindig zu machen. Ich suchte vergeblich nach Stufen die mich wieder an das Tageslicht bringen würden, also schrie ich. Ich wartete und schaute gespannt auf das Loch. Nichts passierte. Ich schrie noch einmal. Wieder nichts. Nun fiel mir ein, dass ich noch mein Handy dabei habe.

Sogleich durchsuchte ich meine Taschen und wurde auch bald fündig. Von Hoffnung erfüllt schaltete ich dieses ein, doch nichts geschah. Der Akku war leer. Verzweifelt schaute ich mich um. Die Gänge waren beide stockdunkel und schienen unheimlich. Doch auf einmal sah ich ein kleines Licht in einem der beiden Gänge. Es sah aus wie ein weit entferntes Feuer. Es lief mir kalt den Rücken runter als ich darüber nachdachte wer hier unten wohl ein Feuer entzünden würde.

Kalter Schweiss lief mir den Rücken runter. Ich schaute noch einmal nach oben und suchte erneut nach Stufen die mir eine Entscheidung deutlich erleichtern könnten. Doch auch dieses Mal fand ich nichts Dergleichen und so blieb mir nur der Pfad zu diesem Feuer.

Es war sehr still hier unten und abgesehen von meinen Schritten hörte ich nur mein Herz pochen. Mein Blick war stur nach Vorne gerichtet, in Richtung des Feuers. Ich hatte das Gefühl schon einige Stunden durch diesen Abwasserkanal gewatet zu sein, doch das Feuer hatte sich bisher kaum genähert.

Es war sehr warm und es wurde immer wärmer. Als ob das Feuer schon von mehreren hundert Metern, wenn nicht mehreren Kilometern, Entfernung Wärme ausstrahlen konnte. Nach längerer Zeit wurde es schwieriger für mich weiterzulaufen, ich bekam Hunger und wurde müde. Doch das Feuer wurde langsam, aber sicher grösser. Nach einigen Minuten vernahm ich das dumpfe Geräusch eines Trommelrhytmus. Ich ging schneller. Auch der Rhythmus beschleunigte sich. Er wurde immer schneller. Ich fing an zu rennen, sah nur noch auf das Feuer, welches nur noch wenige Meter entfernt schien. Und dann war ich da. Die Trommeln verstummten.

Erst jetzt bemerkte ich, dass sich Leute um das Feuer versammelt hatten. Es waren alle junge Frauen in seltsamen Gewändern. Sie alle schauten mich an. Mein Herz raste. „Wie kommst Du hier her?!“, fragte mich eine der Frauen. Sie schien die Älteste zu sein, war aber noch nicht sehr alt. „I-ich b-bin runtergefallen. U-und dann s-sah ich das F-feuer und k-kam hier h-her…“, stotterte ich. Ich überlegte mir einen Grund, warum sich die Frauen wohl hier unten versammelt haben sollten. Vielleicht waren es ja Naturliebende, die einen Protest vorbereiteten…

Doch kaum dachte ich dies, wurde mir auch klar, dass ich mich täuschte. Drei der Frauen umzingelten mich und kamen immer näher. Nachdem ich mich, so gut ich konnte, mit Beissen und Kratzen gewehrt hatte, wurde ich gefesselt in einen Käfig nahe dem Feuer gebracht. Zwei Frauen blieben beim Käfig, die anderen Versammelten sich auf der anderen Seite des Feuers. Ich versuchte ihnen zuzuhören:

„Wir sollten sie hier verrotten lassen!“ – „Nein! Sie kann ja nichts dafür auf uns getroffen zu sein… Ausserdem sind wir die Guten, schon vergessen?“ – „Dann verzaubern wir sie doch! Als Kröte kann sie ja nicht mehr viel anrichten…“ – „Und die Eltern und Freunde?“ – „Ein Vergessenszauber und es scheint sie nie gegeben zu haben.“ – „Das wäre zu viel Aufwand. Wir müssten dann jeden der mit ihr in Kontakt steht suchen und verzaubern… Nein, ich finde, wir nehmen sie auf.“

Ich hörte ein grosses Aufraunen und Protest. Doch mit einem lauten „RUHE!“ von Seiten der Ältesten wurde es still. Mir wurde mulmig zumute. Dann hörte ich viele Schritte. Es dauerte eine Weile bis sich alle um den Käfig versammelt hatten. Die Älteste sprach: „Nun, Mädchen, sprich! Wie heisst du?“ „Sarah“, antwortete ich. „Also, Sarah“, begann sie, „kannst du Dir vorstellen mit wem du es hier zu tun hast?“ Ich schüttelte ängstlich den Kopf. Darauf meinte sie: „Wir sind der Hexenzirkel der Grosshexen, meine Liebe. Zusammen mit sechs weiteren Zirkeln bilden wir die Hexenversammlung des Guten. Du hattest Glück, dass du uns angetroffen hast. Es gibt nämlich auch sieben böse Zirkel, welche dich sicherlich getötet hätten.“

Ein wenig Erleichterung kam in mir auf. „U-und was m-macht ihr jetzt m-mit mir?“, fragte ich. „Nun, da wir beschlossen haben Dich nicht zu verzaubern und wir Dich nicht ohne Weiteres gehen lassen können, nehmen wir Dich bei uns auf und Du musst uns ein Schweigegelübde abgeben.“ Ich nickte und war innerlich froh, noch eine Weile am Leben bleiben zu dürfen. Ich hatte mir bis jetzt nicht vorstellen können, dass diese Frauen zaubern könnten, doch ich wollte es auch nicht wirklich herausfinden.

Sie öffneten den Käfig, nahmen mich heraus und lösten meine Fesseln. Sie stellten mich vor das Feuer und bildeten dann einen um mich und das Feuer. Die Trommeln fingen wieder an einen Rhythmus anzugeben. Dieser war diesmal schneller. Die Frauen um mich herum fingen an seltsame Tanzbewegungen zu veranstalten und sahen dabei nach oben. Dann kam die Älteste langsam auf mich zu mit Kopf und Armen nach oben gerichtet. Dann eine schnelle Geste und alles blieb ruhig.

Sie begann: „Wir, Kräuterkraft und die Schwestern der Grosshexen, bitten Dich, allmächtige Kiarah, der wir alle unserer Fähigkeiten dankbar sind, das neue Mitglied, Lebensmut, unserem Hexenzirkel zuzuordnen.“ Sie wendete sich mir zu: „Lebensmut, bist du bereit, deine neuen Fähigkeiten und deinen Namen samt Stellung anzunehmen?“ „Äh.. j-ja“, stotterte ich völlig verwirrt. „Und bist du bereit“, fuhr sie fort, „für die Sicherheit und Geheimhaltung unserer Existenz sowohl dein Leben, als auch alles, was Dir wichtig ist, aufs Spiel zu setzen?“

Ich schluckte, sagte nichts. Sollte das heissen, dass ich mich in Gefahr brachte? Was ist mit meinen Eltern? Würde ihnen nichts passieren? Kalter Schweiss rann mir über die Stirn. Ich wusste, dass ich keine Wahl hatte, doch die Entscheidung, alle, die mir nah standen, in Gefahr zu bringen, war für mich sehr schwer zu akzeptieren. Ich riss mich zusammen und schaffte es zu nicken.

Sogleich riss die Älteste ihre Arme erneut in die Höhe und schrie: „Dann begrüsst mit mir, Schwestern, unsere neue Schwester Lebensmut. Auf dass sie schnell lerne und uns treu bleiben wird. Denn Verrat, meine Schwestern, wird mit Entzug der Hexenmächte und Verbannung in die Todesschlucht bestraft.“ Ich fühlte mich schuldig. Langsam rann mir eine Träne über die Wange. Was hatte ich nur getan? 

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