Durch die Strassen von New York - Teil 3

Da der Junge durch die eisige Kälte in seinen Gliedern nur humpeln konnte, ging der Weg vom Park bis zu der Wohnung der jungen Frau eine ganze halbe Stunde. Doch die Frau hatte viel Verständnis für den Jungen und stützte ihn die ganze Zeit, bis sie in ihrem Wohnzimmer standen. Dann setzte sie ihn vorsichtig auf das Sofa und ging dann zielstrebig auf einen Schrank am anderen Ende der Wohnung zu, um dort eine grosse Wolldecke hervorzunehmen, mit welcher sie den Jungen gut zudeckte.

„Erhol dich ein wenig. Du siehst sehr erschöpft aus. Ich bringe dir gleich noch einen schönen, heissen Kamillentee“, sprach das Mädchen mit einer Sanftheit, welche der Junge bis jetzt nur von seiner Mutter gekannt hatte. Gesagt, getan. Und als der Junge auch noch den letzten Tropfen des köstlichen Tees getrunken hatte, fiel der Junge in Tiefschlaf und träumte dann die ganze Nacht nur von dem Mädchen.

Als er wieder aufwachte, war er allein in der Wohnung. Doch neben ihm auf dem Couchtisch stand ein Tablett mit einem herzhaften Frühstück aus Eiern und Speck, dazu ein grosses Glas frisch gepressten Orangensaft und daneben lag ein Brief. Langsam nahm der Junge den Brief in die Hand und las ihn:

 

Guten Morgen!

Leider weiss ich immer noch nicht, wie du heisst, aber mein Name ist Kathy. Du sahst so friedlich aus, während du schliefst, deswegen wollte ich dich nicht wecken. Bevor ich zur Arbeit abdüsen musste habe ich dir noch schnell ein Frühstück gemacht. Ich hoffe es schmeckt!

Fühl dich hier ganz wie zu Hause! Ich werde wahrscheinlich so gegen 18.00Uhr zurückkommen. Wenn du Lust hast, mach ich uns dann ein leckeres Abendessen!

 

Hoffentlich bis bald!

Kathy

 

 

Sprachlos blickte er auf den Brief. Er vestand die Welt nicht mehr. Zuhause? Was ist das? Er hatte lange kein Zuhause mehr. Wie sollte er wissen, wie er sich hier fühlen sollte? Und wieso war Kathy so nett zu ihm? Er war doch nur ein fauler, dreckiger, heimatloser Penner ohne Moral und Zukunft. Wieso sollte man ihm helfen?

Das letzte Mal, als jemand zu ihm so nett war wie Kathy, war am Tag des Unfalls. Es war sein sechster Geburtstag und seine Eltern hatten ihm den schönsten Tag seines Lebens bereitet. Es war bis heute der schönste und zugleich der schrecklichste Tag seines Lebens. Das ist jetzt genau zwölf Jahre und zwei Tage her, dachte er sich und schon wieder konnte er es nicht vermeiden, dass ihm eine Träne über die Wange rann.

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