Der wundervolle Vogel

Es war einmal ein Vogel, jung, belebt und farbenfroh. Er hatte das schönste Gefieder das je ein Mensch erblickte, seine Krallen waren die edelsten, die je ein Vogel besass. Doch sein wertvollstes Gut war seine Stimme, denn er hatte den schönsten Gesang von allen Wesen dieser Welt. Wer es sich nun vorstellen möchte, seinen Klang, seine Fülle, der vermag nur zu scheitern. Keine Vorstellung wäre dieser wunderbaren Tatsächlichkeit würdig. Und so vollkommen dieses geflügelte Geschöpf der Lüfte ist, umso tragischer dessen Geschicht.

Entschlüpft in einem kleinen Nestchen nahe einem Weiher wurde der Vogel gehegt und gepflegt von seiner fleissigen Mütterchen. Sie zog das wundervolle Tier zu einem starken Jungtier und es lernte äusserst schnell. In wenigen Versuchen hatte es das Fliegen erlernt und zog durch die Welt. Doch nie vergass es seinem Mütterchen ein Würmelein zu bringen, auf dass sie sich keine Sorgen machen würde. So forschte das junge Geschöpf durch Täler, Wälder, Siedlungen.

Vor allem aber liebte es das Bauernhaus nicht weit entfernt eines kleinen Wäldchens. Dort lebte ein junges Bauernmädchen zierlich und gefasst zu gleich. Das farbenfrohe Tier liebte es auf dem Apfelbaume zu sitzen worunter das Mädchen am liebsten sass. Es zöpfelte dort ihre roten wilden Haare oder las in aller Stille ein Buch, doch am liebsten sah es dem Apfelbaume hinauf um dort dem schönsten Vögelchen zu lauschen, wie es Stund um Stund dem Mädelein ein Liedchen trällerte. Das Mädchen war fasziniert von diesem wundervollen Gesange, doch jeden Abend um sechs, wenn die Mutter mit den Töpfen klapperte, entflog der wunderschöne Vogel, um seinem lieben Mütterchen ein Würmelein zu bringen.

Jeden Abend sah das Mädchen dem stolzen Vogel nach und wünschte sich, es könnte mit. So verging Jahr um Jahr und aus dem Jungvogel wurde ein ausgewachsenes Tier der Lüfte. Auch das Mädchen wuchs heran und wurde Jahr um Jahr selbständiger. Bald schon kümmerte es sich selbst um das Bauernhäuschen. Doch nie vergassen sich die zwei Geschöpfe. Tag um Tag trafen sich die zwei unter dem Apfelbaume. Der Vogel sang, das Mädchen lauschte.

Doch um sechs entflog der wunderschöne Vogel, um seinem Mütterchen ein Würmelein zu bringen, und verliess das Mädelein. Was jedoch der Vogel nicht wusste, war, dass das Mädchen mit jedem Tag, an dem es verlassen wurde trauriger und sehnsüchtiger wurde. So kam einmal der Tag, da flog der Vogel um sechs hinfort, und das Mädchen rannte ihm nach. Es rannte und rannte und rannte, so weit es seine Beine trugen konnten, tief, tief in den Wald hinein.

Bald sah es den Vogel nicht mehr. Es hielt an und schaute sich um. Die Sonne war bereits am Horizont verschwunden und die Schatten der Nacht legten sich um den Wald. Verzweifelt suchte es den Rückweg den Vorweg, irgendeinen Ausweg. Da strauchelte es. Es lag am Boden und konnte nicht mehr aufstehen. Da fing es an zu rufen. Es rief den wunderschönen Vogel, er solle zu ihr kommen. Doch nichts geschah. Es schrie weiter, Stund um Stund.

Und bald hörte es ein hungriger Wolf. Es war kein böser Wolf, er hatte nur Hunger. Seit Tagen fand er kein anständiges Futter und nun rief ein junges Ding nach Hilfe. Eine Einladung. Das Darauffolgende ist jedoch so grausam, dass ich nicht weiter darauf eingehen werde.

Am nächsten Morgen flog der wunderschöne Vogel wieder zum Bauernhaus und setzte sich auf den Apfelbaum. Er pfiff und zwitscherte dem Mädchen, dass es kommen sollte. Doch es kam nicht. Stattdessen kam, am Abend, der Herr des Bauernhauses mit Gewehr und einem Wolfspelz nach Haus. Der Vogel pfiff ihm, denn er wollte wissen wo das Mädchen sei. Der Herr in seiner rasend Wut ergriff sein Gewehr und schoss.

Seit diesem Tag hörte man den Vogel nie wieder Pfeifen, man sah ihn nie wieder fliegen und sein armes Mütterchen bekam nie wieder ein einzig Würmelein von ihm.

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